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Evangelium zum vierten Sonntag im Jahreskreis

Die Bergpredigt (Matthäus 5-7) hat eine Ouvertüre, die Seligpreisungen. Mit ihnen beginnt Matthäus den Bericht über das öffentliche Wirken Jesu.

Foto: jorisvo

Matthäus lässt Jesus auf einen Berg steigen, um die Menschen Lebenswichtiges zu lehren. Diese Ortsangabe ist nicht zufällig gewählt, der Berg gilt als Ort besonderer Gottesnähe. Die Parallele zu Mose, der auf dem Berg Sinai stellvertretend für sein Volk die Zehn Gebote erhielt, ist deutlich. Beide Male geht es um Gottes Heilszusage an sein Volk. Doch Jesus ist mehr als Mose. Während Mose die Weisungen von Gott empfängt, um sie weiterzugeben, lehrt Jesus selbst in göttlicher Vollmacht.

Seligpreisungen – nach dem griechischen Wort auch Makarismen genannt - sind eine geprägte literarische Form, deren Entstehungsgeschichte weit in das Alte Testament zurückreicht. Sie sind aus der praktischen Lebenserfahrung entstanden und waren in der Antike weit verbreitet. In ihnen werden Menschen gepriesen, die ihr Leben so führen, dass es erfolgreich und glücklich genannt werden kann. Da heißt es zum Beispiel: „Selig, wer Besitz und Verstand hat“ (Menander frg. 114). Auch in den Psalmen finden sich Seligpreisungen: „Wohl dem Mann, der den Herrn fürchtet und ehrt und der auf seinen Wegen geht! Was deine Hände erwarben, kannst du genießen. Wohl dir, es wird dir gut ergehen“ (Psalm 128,1-2). Der Gerechte, der Gott fürchtet, auf ihn wird Gottes Segen kommen, das heißt nach damaligem Verständnis Reichtum, langes Leben, erfolgreiche Kinder – eben alles, was man sich unter einem glücklichen Leben vorstellt.

Die Seligpreisungen Jesu bei Matthäus sind von anderer Art. Sie zeigen, dass ein Leben mit Erfolg und Wohlergehen nicht selbstverständlich ist, auch nicht für den Menschen, der auf Gottes Wegen geht. Sie richten sich an die Hungernden, Trauernden, Verfolgten, an die Friedensstifter, die Aufrichtigen und die Barmherzigen und sprechen ihnen den Beistand Gottes zu in jeglicher Not. Sie sind zum einen Zusagen der Nähe Gottes an die Menschen in ihrer konkreten Not, sie wollen trösten und aufrichten, zum anderen sind sie Appelle, ganz bestimmte Verhaltensweisen zu pflegen, um der Gerechtigkeit Gottes den Weg zu ebnen.

Was meistens mit „selig“ übersetzt wird, meint ursprünglich einen Glückwunsch. Das klingt erst einmal befremdlich. Beim zweiten Hinschauen erweist sich der Glückwunsch aber als Zuspruch und Trost. Nicht wegen der Armut, der Trauer oder der erfahrenen Anfeindungen an sich ist jemand zu beglückwünschen, sondern weil ihm die besondere Zuwendung Gottes verheißen ist. Die Verheißung lautet: Gott ist den Bedrängten und Benachteiligten nahe.

Bei den Seligpreisungen des Matthäusevangeliums handelt es sich um eine Redekomposition. Sie sind eine Mischung von Überlieferung (sog. Spruchquelle Q), Ergänzung und Deutung durch Matthäus. Durch Vergleich mit der Feldrede des Lukas und den darin enthaltenen Seligpreisungen nimmt man an, dass der Ursprungstext wohl drei Seligpreisungen enthielt: die der Armen, der Hungernden und der Weinenden. Es werden also ganz konkrete Situationen in den Blick genommen. Bei Matthäus findet nun teilweise eine Übertragung in den geistig-seelischen Bereich statt. Er lässt selig preisen die „Armen im Geiste“, die Einheitsübersetzung schreibt „die arm sind vor Gott“ und gibt damit schon eine Deutung: Der Mensch vor Gott ist immer ein Empfangender. Um „arm im Geiste“ zu sein, muss man nicht unbedingt materiell arm sein, es ist vielmehr die Anerkennung einer menschlichen Grundbefindlichkeit. Wenn Matthäus formuliert: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit“, dann erinnert er daran, dass der Mensch nicht vom Brot allein lebt, sondern von jedem Wort aus Gottes Mund.

Man hat den Seligpreisungen oft den Vorwurf gemacht, sie seien billige Vertröstungen. Doch damit hat man ihren Charakter verkannt. Trost und Vertröstung sind zweierlei. Von Vertröstung kann man nur da reden, wo Menschen in Not mit billigen Worten abgespeist werden, ohne dass man sich wirklich auf ihre Situation einlässt. Auf die Bergpredigt folgen zwei Kapitel, die überwiegend von Wunderheilungen berichten, mit denen Jesus handgreiflich der Not der Menschen zu Leibe rückt. Das Neue Testament bezeugt: Jesus hat getröstet, nicht vertröstet, er war ein Prophet, mächtig in Wort und Tat (Lukasevangelium 24,19). In diesem Sinne fordert die Bergpredigt die Menschen aller Zeiten heraus. Als Hörer der Seligpreisungen werden wir gewissermaßen mit auf den Berg genommen. Gott wirbt um uns. Er braucht auch heute noch Menschen, die sich der Armen und Gebeugten annehmen, die sich für Frieden und Gewaltlosigkeit einsetzen. Und Gott findet sie. Manchmal tragen sie bekannte Namen wie Schwester Ruth Pfau, Mutter Teresa, oder Martin Luther King. Manchmal sind sie so unbekannt wie eine Nachbarin, die ihre alten Eltern pflegt, oder wie der Mann von nebenan, der sich in der Flüchtlingshilfe engagiert. Sie alle sind Zeichen dafür, dass Gottes Gerechtigkeit schon hier und jetzt beginnt.

Pastoralreferentin Regina Mettlach