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Pharisäer und Zöllner

Quelle: Wikimedia, Niki.L, CC BY-SA 4.0

Pharisäer und Zöllner – Heuchler und Sünder: Im Laufe der Zeit hat sich eine Vorstellung entwickelt, die den einen gut, den anderen schlecht zeichnet. Aber beide sind auf der Suche nach Gott. Darum geht es bis heute.

Die Pharisäer bildeten bis zur Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch römische Truppen (70 n. Chr.) eine im Judentum durchaus geachtete Gruppe. Ihr Anliegen war es, die schriftlichen und mündlichen Gesetze so auszulegen, dass sie im jüdischen Alltag gelebt werden konnten. Ihren Zeitgenossen galten sie nicht als Heuchler. Zu denen sind sie erst in der christlichen Überlieferung geworden. In der Zeit nach der Zerstörung des Tempels gingen aus ihnen die Rabbinen hervor, die die religiöse Identität des Judentums sicherten und so das Überleben der Religion möglich machten.

Zöllner waren oftmals Juden, die in den Dienst der römischen Besatzungsmacht getreten waren. Sie waren nicht unbedingt so bescheiden auftretend wie der Zöllner im heutigen Evangelium. In den Augen der jüdischen Bevölkerung waren sie Kollaborateure, Mitarbeiter der Besatzungsmacht. Oft nutzen sie ihre Stellung, um sich unrechtmäßig zu bereichern. Man verachtete sie, sie galten als öffentliche Sünder.

Der Pharisäer und der Zöllner des heutigen Evangeliums sind beide unterwegs mit demselben Ziel: Sie gehen in den Tempel um zu beten. Beide wollen vor Gott bestehen können. Der Pharisäer ist nicht eigentlich ein Heuchler, der seine Frömmigkeit öffentlich demonstriert. Er ist auch nicht hochmütig, denn er dankt Gott. Er listet Gott seine Frömmigkeitsübungen auf, die die Forderungen des Gesetzes noch weit übersteigen, wie er darlegt. Beim Blick auf seine Mitmenschen aber wird er selbstgerecht. Als einer, der sich selbst als gerecht empfindet, schaut er auf andere Mitmenschen herab, z. B. „auf den da, den Zöllner“. Der Zöllner dagegen ist sich seiner Schuld bewusst, er weiß, dass er ein Außenseiter der jüdischen Gemeinschaft ist. In seiner ganzen Gebrochenheit stellt er sich vor Gott hin. Er hat keine Verdienste vorzuweisen, er kommt mit leeren Händen. Trotzdem wendet er sich vertrauensvoll an Gott. Befremdlich für die Zuhörer: Jesus bezeichnet den, der doch nichts vorzuweisen hat, als gerecht gemacht, den Pharisäer aber nicht.

In den Evangelien werden wir immer wieder auf eine Grundhaltung verwiesen, die auch hier zum Ausdruck kommt: dass wir nur von Gott und nicht von uns selbst alles erwarten dürfen und sollen. Alle Rechtfertigung kommt von Gott. Sie wird uns geschenkt, wir können sie uns nicht verdienen. Die Gegenüberstellung von Pharisäer und Zöllner will deutlich machen, dass Ansehen, Besitz, Macht und eigene Leistung in diesem Sinn vor Gott nichts gelten. Wir können Gott nichts geben außer unserer Offenheit und Bereitschaft, uns beschenken zu lassen. Wir dürfen uns mit allen Unzulänglichkeiten und Fehlern in die Vergebung und Liebe Gottes hineinstellen, so wie der Zöllner im Evangelium.

Sowohl der Pharisäer als auch der Zöllner stehen vor Gott und wollen wahrgenommen werden. Es ist ein tiefes Bedürfnis des Menschen, wahrgenommen, erkannt und anerkannt zu werden. Menschen fragen sich, wer eigentlich wahrnimmt, was sie selbst tun und denken. Wer schätzt meine Ehrlichkeit, wenn ich an der Kasse ein Versehen zu meinen Gunsten aufkläre? Wer sieht, wie viel Arbeit in dem Mittagessen und der aufgeräumten Wohnung steckt? Woran erkennt man die Mühe und die Liebe, die wir in die Erziehung unserer Kinder hineingegeben haben? Weiß eigentlich jemand, wie viele gute Ideen ich in meine Arbeit einbringe? Das scheint manchmal keiner zu bemerken. Dann fängt man an, nach einem Maßstab zu suchen, um wenigstens selber gut zu finden, was man tut, um zufrieden mit der eigenen Leistung und dem eigenen Handeln zu sein. Oder man hält nach einer Begründung Ausschau, die die eigenen Fehler in einem besseren Licht erscheinen lässt.

Wir können wohl gar kein Bild von uns entwerfen, ohne uns mit anderen zu vergleichen. Wir bestimmen uns durch das, was uns von anderen unterscheidet oder uns mit ihnen verbindet. Die Gefahr: Beim Vergleichen kann es schnell dazu kommen, dass wir die Unterschiede mit Wertungen verbinden, dass wir anfangen, einander für unterschiedlich wertvoll zu halten, je nach Leistung. Das kann uns überheblich, stolz, eingebildet und unbarmherzig machen.

Gregor von Nazianz, Bischof und Kirchenlehrer im 4. Jahrhundert, warnt eindringlich vor der Gefahr der Überheblichkeit. Er sagt: Wenn du mehr sein willst als deine Mitmenschen, dann sei es durch mehr Güte. Zeige dich gegenüber den Menschen in Not, wie Gott sich ihrer erweist, ahme ihn nach in seiner Huld und Güte.“ Mit aller Liebe, allem Trost und aller Hilfe, die ich anderen Menschen schenke, werde ich zum Abbild der Liebe Gottes. Und mit allem Scheitern und allen Unzulänglichkeiten werde ich dem zur Schwester und zum Bruder, der genauso wie alle anderen mit leeren Händen vor Gott steht.

Pastoralreferentin Regina Mettlach