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Geschenkt ist geschenkt!

Quelle: pxhere.com

„Geschenkt ist geschenkt!“, haben wir als Kinder manchmal gesagt, wenn ein Spielkamerad etwas zurückfordern wollte. Daran habe ich gedacht, als ich den Satz im Römerbrief gelesen habe: „Denn unwiderruflich sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes“ (11,29).

Die neutestamentliche Lesung vom 20. Sonntag im Jahreskreis stammt aus dem 11. Kapitel des Römerbriefes. In den Kapiteln 9-11 geht Paulus in recht komplizierten Gedankengängen der Frage nach, ob Gottes Verheißung für Israel durch das Nein vieler Juden zum Evangelium nicht hinfällig geworden ist und wie sich denn das Judentum und das Christentum zueinander verhalten.

Auf seinen Missionsreisen hat Paulus die für ihn bittere Erfahrung gemacht, dass viele Juden die Botschaft von Jesus als dem Messias nicht annehmen. Paulus, den ehemals jüdischen Gesetzeslehrer, trifft es im Innersten, dass Juden und Christen nun unterschiedliche Wege gehen. Er fragt sich: Hat Gott Israel nun verstoßen? Gelten die Verheißungen des Alten Bundes für sein angestammtes Volk nicht mehr? Paulus kommt zu dem Schluss: Keineswegs. Gottes Wort ist nicht hinfällig geworden. Israel bleibt immer noch das auserwählte Volk Gottes, auch wenn es nicht in seiner Gesamtheit Jesus als den Messias anerkennt. Gott nimmt nichts zurück von dem, was er vorzeiten versprochen hat. „Sie sind Israeliten; ihnen gehören die Sohnschaft, die Herrlichkeit und die Bundesschlüsse; ihnen ist das Gesetz gegeben, die Gottesdienste, die Verheißungen; ihnen gehören die Väter und ihnen entstammt der Christus dem Fleische nach“ (9,4-5). Jetzt sind es vor allem Menschen aus den anderen Völkern, die Jesus Christus als den von Gott gesandten Retter annehmen. Doch am Ende wird ganz Israel durch den wiederkommenden Messias in sein Reich geführt werden.

Juden und Christen – wie sind sie einander zugeordnet? Paulus gebraucht ein Bild: Er vergleicht das Volk Israel mit einem edlen Ölbaum, den Gott selbst gepflanzt hat. Die Menschen aus anderen Völkern, die durch Jesus Christus auch an den Gott Israels glauben, die vergleicht er mit Zweigen eines wilden Ölbaums, die dem edlen Ölbaum Israels eingepfropft werden. Der christliche Glaube ist also aus der Wurzel Israels hervorgegangen. Paulus warnt die Christen vor Überheblichkeit. Es ist völlig unangebracht, schreibt er, wenn sie sich einbildeten, sie hätten Gottes Wort besser verstanden als die Juden. Sowohl die einen als auch die anderen können durch ihren Unglauben aus dem Ölbaum herausgebrochen werden. Aber Gott hat die Macht, sie auch wieder einzupfropfen. Gott geht einen eigenen Weg mit den Juden, genauso wie er einen Weg mit den Christen geht. Das ist sein Geheimnis. Es wird deutlich: Gott handelt an beiden, Juden wie Christen.

Dreierlei können auch wir heute den Worten des Paulus entnehmen:

- Gott ist treu. Das gilt für die Christen aller Zeiten. Gott hat uns in der Taufe zu Gliedern seines Volkes berufen, er hat uns mit aufgenommen in die Gemeinschaft seines erwählten Volkes. Diese Verbindung hält Gott aufrecht, auch wenn der Mensch untreu wird, „denn unwiderruflich sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes“. Geschenkt ist geschenkt!

- Gott erbarmt sich seines Volkes. Alle sündigen, da ist kein Unterschied zwischen Juden und Heiden. Aber Christus kann das Herz eines Menschen verwandeln. Und keiner, der sich an ihn wendet, wird weggeschickt.

- Gott kann Menschen auch durch Irrungen und Wirrungen ins Reich Gottes führen. Auch auf Umwegen kann man zum Ziel gelangen.

Zu allen Zeiten gilt: Der Glaube ist ein Geschenk Gottes. Er überwindet Grenzen, verbindet Menschen aus allen Nationen und Völkern, aus allen gesellschaftlichen Schichten und Milieus, und sammelt sie in der Gemeinschaft der Kirche. Wir können zur Glaubwürdigkeit der Kirche mit beitragen, wenn wir an einer Kirche mitbauen, die nicht ausgrenzt und trennt, sondern immer mehr zu einer Lebens- und Glaubensgemeinschaft wird – zum Lobe Gottes und zum Heil der Menschen.

Paulus beendet das 11. Kapitel seines Briefes an die Römer mit einer Doxologie, einem Lobpreis, in den wir miteinstimmen dürfen: „Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.“

Pastoralreferentin Regina Mettlach