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Kirche St. Hedwig

Man könnte sie übersehen, die Kirche des Gemeindezentrums St.Hedwig in Speyer-West, wäre nicht auf dem einstöckigen Bau, in einem halbrunden Dachreiter ein Durchbruch mit einem Kreuz über dem Haupteingang zu erkennen.
 
Erbaut 1973/74 unter der Leitung von Pfarrer Bernhard Linvers mit der Architek­ten­gemeinschaft Grüner – Hoffmann – Scheubert, ist sie die Jüngste unter den katholischen Speyerer Kirchen, kein traditioneller Bau mit hohem, gewölbtem Kirchen­schiff, ohne Glockenturm und stattliches Geläute, sondern unauffällig eingefügt zwischen die nahen Häuserblöcke der Wohnungsbaugesell­schaft GEWO. Der gesamten Anlage liegt ein bestimmtes pastorales Konzept zugrunde: Es sollte eine „möglichst mobile Raumgestaltung durch Raumadditionen“ ermöglicht werden, „bezogen auf einen sakralen Kernbereich“. Kirche und weitere Räumlichkeiten sind unter dem Flachdach des Zentrums vereint und können nach Bedarf durch mobile Trennwände variabel vergrößert oder verkleinert und so zu Gottesdiensten, aber auch zu Gemeindeversammlungen, Vorträgen, Feiern verschiedener Gruppen und Anlässe genutzt werden. Diese Konzeption kam vor einigen Jahren im Rahmen der Realisierung des Projekts „Soziale Stadt Speyer-West“ einer noch stärkeren Zusammenarbeit von Kirchengemeinde, GEWO und weiteren kommunalen und sozialen Diensten entgegen. Nach einigen Umorientierungen und Renovierungen im Inneren des Zentrums konnten Anfang 2012 eine Quartiersmensa und weitere soziale Einrichtungen ihre Arbeit aufnehmen.
Aus dem Gemeindezentrum St. Hedwig wurde „Q + H“. Diese Entwicklung entspricht folgerichtig der Anfangsidee zur Gestaltung eines Kirchenbaus im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils: Schlichtheit, Nähe zu den Menschen, Flexibilität und Offenheit in der Reaktion auf die Anliegen der Zeit.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die Bewohner dieses neu entstandenen Stadt­teils vorwiegend als Heimatvertriebene und Aussiedler aus dem östlichen Deutsch­land und den angrenzenden Ländern, vor allem aus Schlesien und Polen. Daher erhielten Kirche und Gemeinde den Namen der heiligen Hedwig, Herzogin von Polen, aus dem Haus der bayerischen Grafen von Andechs. Im 12./ 13. Jahrhundert hat Hedwig in ihrem Herzogtum Kulturarbeit geleistet und für Frieden zwischen Schlesiern und Polen gesorgt. Was lag näher, als die 1970 gegründete neue Kirchengemeinde und ihr Zentrum unter den Schutz dieser Heiligen zu stellen und in ihrem Namen Symbol und Ansporn zu sehen für die nach dem Zweiten Weltkrieg dringend erforderliche Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen.

Inzwischen haben die Vertriebenen von damals bis in zweiter und dritter Generation hier wieder eine Heimat gefunden. Infolge demografischer Veränderungen und zunehmender Globalisierung entstehen heute weitere, z. T. andere Schwerpunkte, z. B. Projekte für Senioren, Hilfsangebote für junge Familien, und vor allem gilt das Bemühen um Integration der vielen Menschen mit Migrationshintergrund, nicht zuletzt auch um interreligiöse Kontakte.
Das schlichte Gebäude der Gemeinde St. Hedwig mit seinem relativ ungewöhnlichen Kirchenraum und den übrigen flexiblen „Raumadditionen“ bietet weiterhin viele Möglichkeiten und fordert heraus zu einer Pastoral der Zukunft.

(Theresia Füchtenschnieder)