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Reformatio – Erneuerung

Quelle: www.erneuerung-online.ch

Der 31. Oktober 2017 ist ein besonderer Tag. So außergewöhnlich, dass unser Staat entschieden hat, ihn einmalig als bundesweiten Feiertag zu begehen.

Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dieser Tag ist nicht nur für die evangelische sondern gleichsam für die katholische Kirche von großer Bedeutung: 500 Jahre ist es nunmehr her, dass der Reformator Martin Luther seine 95 Thesen am Tag vor Allerheiligen – so wird es überliefert – an der Schlosskirche zu Wittenberg angebracht hat.

Von welcher Sprengkraft diese Handlung geprägt sein würde, hatte Luther sicherlich selbst nicht ahnen können. Doch mitnichten war es sein Ansinnen, eine Kirchenspaltung zu propagieren – im Gegenteil: sein Bestreben bestand darin, eine Erneuerung (lat.: reformatio) der Kirche voranzutreiben und damit eine Stärkung der Einheit der Kirche herbeizuführen.

Es gibt sicher nur wenige, die bezweifeln würden, dass eine solche zu Beginn des 16. Jahrhunderts von absoluter Dringlichkeit war. Missstände anzusprechen und nach Kräften daran zu arbeiten, sie zu beseitigen, ist ein wesentliches Element kirchlichen Arbeitens und Lebens. Dies zeigt gerade auch das Schuldbekenntnis und die damit verbundenen sieben Vergebungsbitten Johannes Pauls II. aus dem Heiligen Jahr 2000. Doch was kirchengeschichtlich eher in Vergessenheit geraten ist. Es gab bereits fast ein halbes Jahrtausend zuvor ein Schuldbekenntnis eines Papstes, dem es darin um nichts anderes als um eine umfassende Reform der gesamten Kirche ging. Die Rede ist von Hadrian VI. im Jahre 1522:

„Wir wissen, dass es an diesem Heiligen Stuhl schon seit seinigen Jahren viele gräuliche Missbräuche in geistlichen Dingen und Exzesse gegen die göttlichen Gebote gegeben hat, ja, dass eigentlich alles pervertiert worden ist. So ist es kein Wunder, wenn sich die Krankheit vom Haupt auf die Glieder, das heißt von den Päpsten auf die unteren Kirchenführer, ausgebreitet hat. Wir alle – hohe Prälaten und einfache Kleriker – sind abgewichen, ein jeder sah nur auf seinen eigenen Weg, und da ist schon lange keiner mehr, der Gutes tut, auch nicht einer.“

Damit reagierte der Papst auf die Herausforderung der Reformation und der drohenden Spaltung der Kirche. Wenig verwunderlich stieß er damit bei den Kardinälen und Prälaten auf heftigen Widerstand und so blieben all seine Bemühungen um eine umfassende, aufrichtige und vor allem notwendige Erneuerung der Kirche umsonst.

Doch zeigt dies, wie wichtig ständige Reformen und Impulse für die Kirche sind. Das Zweite Vatikanische Konzil spricht von einer Kirche, die „stets der Reinigung bedürftig“ ist, weil sie „aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ und deshalb „Sünder in ihrem eigenen Schoße“ (LG 8) umfasst. Die Kirche ist und bleibt ecclesia semper reformanda (dt.: „die immer der Reform bedürftigen Kirche“) - das ist ein Wesensmerkmal von Kirche.

Gerade in diesen Tagen ist es wichtiger denn je – auch vor dem Hintergrund der sinkenden Mitgliederzahlen – nicht die Spaltung, sondern den ökumenischen Gedanken hochzuhalten und nicht das Trennende, sondern Gemeinsamkeiten in den Blick zu nehmen.

Denn letztlich sind wir eine Einheit in Christus!

Pastoralpraktikant Michael Gutting