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Gott will das Leben in Fülle

Satt zu sein genügt nicht, im Gegenteil

Foto: pixabay.com

Wir haben sicher alle schon erlebt: Wir haben uns etwas Besonderes vorgenommen. Wir haben gut geplant, und der Anfang ist auch gelungen. Aber dann kommt eine „Durststrecke“, wir werden müde. Habe ich mir zu viel vorgenommen? Schaffe ich das? Wäre ich doch beim Alten geblieben …

So ist es wohl dem Volk Israel ergangen in der Wüste nach dem Auszug aus Ägypten. Ihr Weg in die Freiheit war hart, sie konnten und wollten nicht mehr weiter. Ägypten – das war zwar Unfreiheit und Sklavendienst, aber „wir hatten genug Brot zu essen und volle Fleischtöpfe“. Sie schimpfen auf Gott und Mose; und Mose ringt mit Gott und dem Volk. In diesem Kampf ist Mose in der Gefahr, zerrieben zu werden. In der äußersten Not hört und erhört Gott das Murren des Volkes. Er gibt ihnen die Verpflegung, die sie brauchen, Brot und Fleisch. Er schenkt nicht die Verpflegung für den ganzen Marsch, sondern für jeden Tag neu. So bleiben sie auf ihn angewiesen. So zeigt sich: Gott will nicht ihren Tod; aber er will auch nicht ihre Rückkehr in Unterdrückung und Sklaverei. Er will ihren Weg in die Freiheit.

Haben wir nicht auch schon Wüstenstrecken in unserem Leben erfahren, wo plötzlich ein Mensch da war, der uns das rechte Wort zur rechten Zeit gab, das uns wieder aufrichtete und Mut zum Weitermachen gab? Wir sind dann froh und könnten andere Menschen an solchen Erfahrungen Anteil nehmen lassen und sie ihnen weitererzählen. Sicher, das geschieht nicht immer. Manches Mal haben wir uns auch überfordert, waren leichtsinnig oder unüberlegt. Eine Garantie für einen Erfolg gibt es nicht.

„Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“, aber er braucht es zum Leben. Brot ist ein besonderes Zeichen der Verbundenheit der Menschen untereinander. Das Brot war zwar lebensnotwendig, aber es hatte „zu dienen“; zu dienen den Menschen auf ihrem Weg zum Ziel, dem Land der Freiheit. Ziel und Hilfen zum Ziel dürfen wir nicht gleichsetzen. Wer sich allein mit dem Brot begnügt, der betrügt sich um neue Möglichkeiten und Qualitäten wie hier die Freiheit. „Man stirbt auch am Brot allein“, formuliert eine Theologin unserer Tage.

Genau hier lag der Grund, warum Jesus sich weigerte, sich zum „Brotkönig“ machen zu lassen. Nach dem Brotwunder vom See von Tiberias, bei dem nach der Sättigung aller noch zwölf Körbe übrig blieben, waren alle satt geworden, und das genügte ihnen. So wollten sie immer satt sein. Das aber genügte Jesus nicht.

Jesus geht es um einen tieferen Hunger. Ihm geht es um Speise „für das ewige Leben“. Da fragen sie ihn: „Was müssen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen?“ Die Menschen fragen, was sie leisten müssen, um diesen Hunger zu stillen. Jesus antwortet ihnen: „Das ist das Werk Gottes, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.“ Es geht also nicht um eigene Leistung, sondern um das Geschenk, das Gott uns gemacht hat. Es geht um die Offenheit, sich von Gott beschenken zu lassen; es geht um das Vertrauen, dass er mehr schenken will als das Brot, das sie gegessen haben.

Anders gesagt: Es geht nicht um Quantitäten von Brot (sprich: Leistungen und Gebotserfüllungen), sondern um die Qualität von Leben (sprich: sinnerfülltes Leben). Vielmehr geht es um die Offenheit, sich von Gott beschenken zu lassen, um das Vertrauen, dass er uns mehr geben will, als „nur Brot für den Alltag“. Jesus sagt es so: „Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.“ Da steht er nun mit seiner Einladung und seinem Angebot. Die Frage ist – damals wie heute: Habe ich mir ein Gespür für die tiefe Fülle des Lebens bewahrt, oder bin ich mit dem oberflächlichen „Vollsein des Lebens“ zufrieden? Ist die Sehnsucht nach Fülle eine Kraft, die mich innerlich lebendig erhält?

Wie antworten wir, wie antworte ich auf seine Einladung – auch mitten in Abschnitten der Wüste meines Lebens? Auch uns will er in das gelobte Land der Freiheit und der Erfüllung führen. Achten wir darauf, dass wir nicht vorzeitig den Weg abbrechen und zurückgehen! Unser Hunger wird dann – trotz aller Fleischtöpfe – nie gestillt. Diesen Weg werden wir nur gemeinsamen gehen können – und mit Jesus. Wir dürfen darauf hoffen, dass er uns stärkt – damals wie heute.

Pfarrer Bernhard Linvers