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Die Schwebe und der Aufbruch

„ … alles in der Schwebe halten …“ - So sagen wir manchmal.

Quelle: pixabay.com

Und zwar dann, wenn wir nicht wissen, wie und wohin es gehen soll. Stillstand ist dann. Warteschleifen. Aufbruch nicht in Sicht. Jeder Mensch hat seine eigenen Schwebezustände zu durchleben. Da werde ich oftmals tüchtig hin und her geschüttelt. Aber es hilft nichts. Auch wenn etwas in der Schwebe liegt oder von mir in der Schwebe zu halten ist ohne konkrete Handlungsperspektive: Ich muss mich irgendwie einrichten und damit zu leben versuchen. Letztlich geht es um die Frage: Was trägt mich wirklich ? Was gibt mir Mut?

Die Dichterin Hilde Domin hat ihre Antwort gefunden auf diese Frage. In einem Gedicht fasst sie es so zusammen: „Meine Hand greift nach einem Halt und findet nur eine Rose als Stütze!“ Enttäuscht diese Antwort? Oder ist das eine weise Einsicht?

Hilde Domin spricht nicht von einer Stütze, die gewaltig und mächtig daherkommt, sondern die zart und zerbrechlich ist – wie eine Rose.

Aber es ist dennoch ein Halt, der stützt, wenn wir ein Wort hören, das uns meint und das Zuspruch ist und uns zum Aufbruch ermutigt, wenn wir Liebe erfahren und neu zu lieben wagen. Denn dafür steht die Rose – symbolisch. Liebende Zuwendung trägt. Wenn Menschen sich in Liebe zugewandt sind, sich entgegenkommen, dann entsteht etwas Tragendes. Liebe, bedingungslose, von Mensch zu Mensch, ist auch ein Spiegelbild der Liebe Gottes zu uns Menschen. „Du bist geliebter Mensch, unabhängig von all deinen Aktiva und Passiva – bedingungslos, wirklich.“ Dem Abram wird solches zugesagt: „Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein.“ (Genesis 12,1-9) Abram antwortet ohne große Worte – durch schlichten Aufbruch. Und er findet den Mut, fortzuziehen aus seinem „alten Land“ in ein neues – ohne Netz und sicheren Boden.

Wenn ich meine Schwebezustände durchbrechen will, dann braucht es Zuversicht und Zuspruch. Und Vergewisserung in Gemeinschaft und Beziehung. Das bedeutet für mich: empfindsam bleiben; wahrnehmen, was um mich herum in der Welt geschieht; ungute Entwicklungen durchblicken und öffentlich machen; mich weigern, Dinge einfach hinzunehmen und zu schlucken; neue Ziele formulieren; und vor allem: darauf setzen, dass der Tod – in welcher Gestalt auch immer – nicht das letzte Wort hat.

Klaus Hagedorn, Misereor