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„Er ruft uns vor die Tore der Welt“

Foto: ez

„Wir ziehen vor die Tore der Stadt“ heißt ein Lied, das im Gotteslob unter der Rubrik „Advent“ zu finden ist (GL 225). Es führt uns die Szene des Einzugs Jesu in Jerusalem vor Augen: Die Menschen versammeln sich vor der Stadt, um Jesus in Empfang zu nehmen.

Die ersten beiden Strophen geben Auskunft darüber, wem die Ankunft Jesu gilt: denen, deren Blick zu Boden gerichtet ist, weil sie „schwach und matt“ sind. „Er wird zu den Verstoßnen stehn“, ohne Rücksicht auf „anderer Urteil“. Dieses Verhalten wird als ein Weg beschrieben, den keiner zu gehen traut, weil allen davor „graut“.

Advent. Wir bereiten uns für das Kommen des Herrn. Für seine Geburt, die sich „draußen“ abspielt, weil in der Lebenswelt der Menschen kein Raum für seine Ankunft ist. Das heißt im Klartext: Der erste Weg zu Jesus führt uns „vor die Tore der Welt“, weil er zu denen da „draußen“ gehört.

In diesen Wochen des Wartens ist es wichtig, sich bewusst zu machen, dass der „holde Knabe im lockigen Haar“ nicht in einer sanften Friede-Freude-Eierkuchen-Atmosphäre zu finden sein wird, sondern im knallharten Kampf ums Überleben, in einer eiskalten Atmosphäre der Ablehnung und der Trostlosigkeit. Dass Christusnachfolge kein Zuckerschlecken ist, sondern uns das Letzte abverlangt, ein Weg sein kann, vor dem einem „graut“. Denn eines steht fest: Dieser Weg wird uns am Ende wieder vor die Tore der Stadt führen, nach Golgatha, zu den Verbrechern.

Vielleicht kann es eine gute Vorbereitung auf die Ankunft des Herrn sein, in dieser Adventszeit Jesus einmal bewusst unter den „Verstoßenen“ unserer Gesellschaft zu suchen – unter den Obdachlosen, Prostituierten, Strafgefangenen, … – ohne Rücksicht auf „anderer Urteil“. Denn spätestens seit Jesus sich unter die da „draußen“ gemischt hat, gibt es eigentlich keine Verstoßenen mehr.

Advent. Wir bereiten uns für das Kommen des Herrn, der auch zu uns kommt, wenn wir „draußen“ stehen. Dem nicht davor graut, für uns einzutreten, auch und gerade wenn wir zu den Verstoßenen zählen – ohne Rücksicht auf „anderer Urteil“. Welch eine freudige Erwartung!

Mareike Jauß