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Der gute Hirte

Foto: pixabay.com

Esel gelten oft als störrisch. Jemanden einen „Esel“ zu nennen unterstellt, er sei nicht nur uneinsichtig, sondern auch dumm. So schreiben wir verschiedenen Tieren oft Eigenschaften zu, die wenig mit den Tieren und den damit bezeichneten Menschen zu tun hat. Die Schmusekatze ist eben auch eine erfolgreiche Jägerin, die gerne noch mit ihrer Beute spielt und die dumme Gans ist wachsamer als die meisten Hunde – wie z.B. der Hl. Martin der Legende nach erfahren musste. Auch das Grautier mit den langen Ohren ist ein soziales, intelligentes und sensibles Tier, dessen Vertrauen man erst gewinnen und dann pflegen muss, um einen treuen Begleiter zu bekommen – was es fast schon wieder menschlich sympathisch macht. Bileam, ein großer Seher und Prophet des Alten Testaments, verdankt ihm genau deshalb sein Leben (Num 22,22-24).

Wer am kommenden Wochenende einen unserer Gottesdienste besucht, wird im Evangelium von Jesus den guten Hirten hören (Joh 10,27-30), auf dessen Stimme seine Schafe hören. Aber mal ehrlich, wer möchte schon Schaf sein? Immer nur das Gras fressen, das einem vorgesetzt wird, sich zum Schutz einpferchen lassen und sich, wenn man mal ausbüxt, vom Hirtenhund zurücktreiben lassen?

Wie bei vielen Gleichnissen, geht es auch beim Text aus dem Johannesevangelium gar nicht um die vordergründig genannten Schafe, sondern um Jesus, den guten Hirten. Er kennt seine Schafe beim Namen. Er kann sie rufen und sie folgen ihm, weil sie ihm vertrauen. Er kann seine Schafe führen, weil er weiß, was sie zum Leben brauchen. Er beschützt sie vor Gefahren. Der individuelle Blick auf den Einzelnen blendet nicht aus, dass Schafe Herdentiere sind, jedes mit einer Persönlichkeit und doch ohne Gemeinschaft einsam und verloren. Der gute Hirte weiß auch um die Neugier seiner Schafe, die gerne mal auf der Suche nach etwas Besserem auf gefährliche Wege geraten. Dann kann er geduldig die Herde sich selbst überlassen, um dem Verlorenen hinterherzugehen und es fürsorglich auf seinen Schultern zurückzubringen.

Jesus als guter Hirte ist nicht nur ein Bild für Gottes Zugewandtheit zu den Menschen, sondern auch Vorbild für Menschen, die in Politik, Wirtschaft oder Kirche, egal ob im Kleinen oder Großen Verantwortung übernehmen. Ihnen – und auch den Schafen – muss es bewusst sein, dass gute Hirten nicht selbstverständlich sind. Ein gutes Miteinander muss wachsen und es muss gepflegt werden – auch von den Schafen.

Jeder Vergleich und damit auch jedes Gleichnis hat Grenzen seiner Deutung. Der Text des 4. Sonntages der Osterzeit bleibt deshalb nicht im Bild es Hirten mit seinen Schafen stecken. Er hat eine zeit- und grenzenlose Botschaft, ja sogar ein Versprechen: Gott bleibt uns treu. Er begleitet und leitet uns im Leben und darüber hinaus bis in seine Ewigkeit. Und jetzt doch noch mal zu den Schafen! Wenn Sie am Sonntag, das Evangelium hören, geht’s Ihnen vielleicht wie mir: Inmitten meiner vertrauten und lieb gewonnenen Herde bin ich gerne ein von Jesus, dem guten Hirten geführten Schaf. Denn wir wissen ja, Schafe sind besser als ihr Ruf!

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen im Namen unserer Gremien und des Pastoral- und Sekretariatsteams eine schöne Woche,

Diakon Paul Nowicki