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Sehnsuchtsorte

Foto: ez

„Mein idealer Ort ist eine Erinnerung: An das Aufwachen nach dem Mittagsschlaf in der Hängematte im Garten meiner Großmutter und ihres Freundes ( … ) in der Greifswalder Obstbausiedlung am ersten Tag der Sommerferien.“ So beginnt Helga Schubert in ihrem Buch „Vom Aufstehen“ die Geschichte ihres Lebens. Mit 81 Jahren schaut sie zurück auf die Geschichten, die ihr Leben prägten und im ersten Satz des Buches stellt sie diesen Sehnsuchtsort als markanten Punkt an die prominenteste Stelle des Buches. Ein prägender Ort für das Leben der Autorin.

Welche Sehnsuchtsorte gibt es in unserem Leben? Woran erinnern wir uns, wenn wir an einen „idealen Ort“ denken? Ist es die Hängematte im Garten, die Kühle eines schattigen Waldpfades im Sommer, der erhabene Blick vom Gipfel eines Berges, das Rauschen des Meeres an einem einsamen Strand oder die andächtige Stille in einer Kirche?

Sehnsuchtsorte sind meist keine Touristenattraktionen, keine trubeligen Plätze an denen „das Leben pulsiert“. An Sehnsuchtsorten konnten wir zur Ruhe kommen, haben zu uns finden können und dabei spüren können, dass es ein „Mehr“ im Leben gibt. Sehnsuchtsorte sind Orte, an denen wir von Gottes Geist berührt wurden, an denen ER bewusst oder unbewusst an uns wirken konnte. Dieses schwer (be-)greifbare und beschreibbare Gefühlt hat uns diesen Ort als „idealen Ort“ in unsere Erinnerung eingeschrieben.

Eine schöne musikalische Beschreibung eines Sehnsuchtsortes gelingt Reinhard Mey in seinem Lied „Viertel vor Sieben“ wenn er im Refrain singt „Manchmal wünscht ich es wär noch mal viertel vor sieben und ich wünschte ich käme nach Haus.“

Oft sind unsere Sehnsuchtsorte Erinnerungen, ähnlich wie bei der Autorin Helga Schubert oder bei Reinhard Mey. Wir können diese Orte nicht mehr real aufsuchen. Manche Sehnsuchtsorte existieren nicht mehr oder sie sind an eine Zeit oder an Personen geknüpft die vergangen oder von uns gegangen sind. Wir können diese Sehnsuchtsorte nur noch in unserer Erinnerung aufsuchen. Und auch das gelingt uns nur, wenn wir uns die Zeit dafür nehmen und uns – wie bei einer wirklichen Reise – darauf einlassen. Meistens funktioniert es nicht, zwischen zwei Terminen noch schnell einen Besuch an unserem Sehnsuchtsort einzuschieben.

Aber die Reise zu unseren Sehnsuchtsorten lohnt sich. Es sind die Orte, Zeiten oder Momente, die uns das Gefühl gegeben haben, das alles gut ist so wie es ist. Eine Reise zu diesen Sehnsuchtsorten kann uns Kraft für das Hier und Heute geben in dem leider oft nicht alles gut ist so wie es ist. Denn Gottes Geist, der uns damals an unserem Sehnsuchtsort berührt hat, begleitet uns auch jetzt auf unserer Reise dorthin – wenn wir uns die Zeit und somit ihm die Gelegenheit dazu geben.

Eric Zander