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Satt werden

Foto: pxhere

Wie schön ist es, vor einem vollen Teller zu sitzen, ein schmackhaftes Gericht vor sich zu haben und so viel davon essen zu können, bis man satt ist. Was für ein wundervolles Gefühl! Erst recht, wenn man vorher körperlich tüchtig gearbeitet hat, eine anstrengende Wanderung hinter sich hat oder die letzte Mahlzeit schon eine Weile her ist.

Wir leben in einem reichen Land. Die meisten können sich jeden Tag satt essen. Viele hungern höchstens freiwillig. Für die Gesundheit oder die Figur. Und doch gibt es auch bei uns Menschen, die eben nicht satt werden, nicht genug zum Leben haben.

Erst recht in anderen Ländern und Regionen. Dort herrscht ständig Mangel an ausreichend Essen und sauberem Trinkwasser. Weizen ist weltweit eine Mangelware. Aber auch andere Lebensmittel. Der Krieg in der Ukraine hat dies noch verschärft. In den leeren Regalen der Lebensmittelgeschäfte war es auch bei uns zu sehen.

Und es wird auch zu spüren sein, wenn wir in unserer Wohlstandsgesellschaft vielleicht bald am eigenen Leib erfahren, dass im Winter zum satt werden auch eine warme Wohnung dazu gehört.

Die vierte Bitte im Vaterunser „unser täglich Brot gib uns heute“ hat auch heute noch ihre Gültigkeit. Satt werden ist nicht selbstverständlich. Allen modernen Anbau- und Verarbeitungstechniken, Handelsnetzen und Lieferketten zum Trotz.

Wir haben es weltweit nicht geschafft, Dürreperioden und Hungersnöte zu verhindern. Im Gegenteil. Mit der Erderwärmung werden sie zunehmen. Auch die Wasserknappheit. Es ist jetzt unsere Aufgabe, etwas dagegen zu tun. Für unsere Kinder und Kindeskinder.

Auch im Blick auf eine faire Welt. Es gibt immer noch viel zu viel Ausbeutung, Sklaverei, Kinderarbeit, Flucht, Vertreibung Ungerechtigkeit. Und viel zu wenig Beistand im Bestreben, das zu ändern. Viele verzweifeln daran. Jesus sagt, bei Gott ist das anders. Bei ihm gilt: selig sind, die da hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.

Es gibt vieles, nach dem wir uns sehnen. Hunger nach Essen. Hunger nach Gerechtigkeit. Hunger nach Leben. Hunger nach Liebe. Hunger nach Glück. Hunger nach Gott.

Die Sehnsucht satt zu werden kennt viele Belange, Bereiche und Facetten im Laufe unseres Lebens. Und weil Mensch und Welt sich immer wieder verändern, folgt auf jedes Finden ein neues Suchen, und jedem Sattsein bald wieder ein neuer Hunger.

Vielleicht mündet darum alles Sehnen und alles Fragen letztlich doch in den, von dem wir glauben, dass er uns satt machen kann. In allen Belangen unseres Lebens. Und weit darüber hinaus: Den Gott, der alles umfängt und in Händen hält. Leben und Welt. Anfang und Ende. Raum und Zeit.

In diesem Bewusstsein können wir in wenigen Wochen Erntedank feiern. Voller Freude über den wundervollen Reichtum von Gottes Schöpfung und all die vielen Früchte und Erträge der Natur, die es uns satt werden lassen.

Voller Dankbarkeit über so viele gute Gaben, die Gott uns zuteilwerden lässt. Auch im übertragenen Sinn. Für die Kinder und Enkel, die so viel Leben und Freude bringen. Für die Gesundheit. Für viele schöne und wertvolle Momente, die man erleben durfte. Für den Partner, der da ist, und Lachen und Weinen teilt.

Voller Achtsamkeit auf diese Erde, Gottes Schöpfung, die uns gegeben ist mit dem Auftrag sie zu erhalten und zu bewahren. Indem wir das unsere dazu beitragen, auch im Kleinen, Umwelt und Natur zu schützen und den Klimawandel nicht weiter zu befördern.

Voller Anteilnahme an jenen, denen solches satt werden versagt ist. Im Gebet. Und auch im Teilen. Durch das Teilen kommen wir in Gottes Nähe. So hat es Jesus in seinen Gleichnissen gesagt. Und wir erfahren, dass wir, auch wenn wir teilen, nicht wirklich ärmer werden. Das kann Brücken schlagen. Brücken zwischen Armen und Reichen, Gesunden und Kranken, Einheimischen und Fremden, Traurigen und Fröhlichen!

Ihr Dekan Markus Jäckle